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Lauert

Блейк Пирс
Lauert

Kapitel sieben

Jake steuerte das Vehikel, das er sich eilends ausgeliehen hatte, durch ein Netzwerk von Schotterstraßen, die von Dighton nach Hyland führten. Chief Messenger hatte ihm den Wagen ausgeliehen. Auf diese Weise konnte Jake aufbrechen, ehe der Helikopter des TV-Senders landete.

Er hatte keine Ahnung, was ihn in Hyland erwarten würde, aber er war dankbar, der Invasion entkommen zu sein. Er hasste es von Reportern belagert zu werden, die ihn mit Fragen bestürmten, auf die er keine Antwort wusste. Es gab nicht viel, an was die Medien mehr Gefallen fanden, als an spektakulären Mordfällen in abgelegenen, ländlichen Gebieten. Die Tatsache, dass das Opfer die Frau des Bürgermeisters war, machte die Story für sie sicherlich noch bestechender.

Er fuhr mit offenem Fenster und genoss die frische Landluft. Messenger hatte ihm aufgezeichnet, wie er fahren sollte, und Jake hatte Spaß bei der gemächlichen Landpartie. Der Mann, den er befragen wollte, würde sich nicht von der Stelle bewegen, ehe er da war.

Selbstverständlich hatte der Verdächtigte im Gefängnis von Hyland mit keinem der Mordfälle etwas zu tun. Man hatte ihn gerade ins Gefängnis gesteckt, als das zweite Opfer starb.

Nicht als ob das seine Unschuld beweisen würde, dachte Jake.

Es gab immer die Möglichkeit, dass ein Team von zwei oder mehr Mördern am Werk war. Hope Nelson könnte von jemandem geschnappt worden sein, der den Mord an Alice Gibson nachahmen wollte.

Als Jake Hyland erreichte, bemerkte er als erstes, wie klein und verschlafen diese Kleinstadt aussah – viel kleiner als Dighton, mit einer Einwohnerschaft von ungefähr 1000 Leuten. Das Ortschild, an dem er gerade vorbeigefahren war, gab an, dass nur ein paar hundert Menschen hier lebten.

Kaum groß genug, um eingegliedert zu werden, dachte Jake.

Die Polizeiwache war genauso wie alle Fassaden in der kurzen Geschäftsmeile. Als er längs der Straße parkte, erblickte Jake einen fettleibigen Mann in Uniform, der sich an den Türpfosten lehnte. Er sah aus, als hätte er nicht anderes zu tun.

Jake stieg aus dem Auto. Als er auf die Polizeiwache zuhielt, sah er, dass der ausladende Polizist auf jemanden direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite starrte. Dieser Mann trug einen weißen Arztkittel und stand mit verschränkten Armen da. Jake hatte den befremdlichen Eindruck, dass die beiden schon eine ganze Weile dagestanden und sich ohne Worte betrachtet hatten.

Worum geht es denn da? fragte er sich.

Er kam auf den Uniformierten zu, der im Türrahmen stand und zeigt ihm seinen Dienstausweis. Der Mann stellte sich als Sheriff David Tallhammer vor. Er kaute auf einem Tabakbündel herum.

Er sagte mit gelangweilter Stimme zu Jake: »Kommen Sie rein, dann kann ich Ihnen unseren Hausgast vorstellen – Phil Cardin heißt er.«

Tallhamer ging voraus und Jake schaute kurz hinter sich. Der Mann im weißen Kittel rührte sich nicht vom Fleck.

In der Polizeiwache stellte Tallhamer Jake einen Wachtmeister vor, der die Füße auf den Schreibtisch gelegt hatte, während er Zeitung las. Dieser nickte Jake zu und las weiter.

Die kleine Wache strömte eine seltsam gelangweilte Atmosphäre aus. Wenn es Jake nicht bereits gewusst hätte, wäre er nie darauf gekommen, dass diese zwei abgehalfterten Polizisten es mit einem grässlichen Mordfall zu tun hatten.

Tallhamer führte Jack durch eine Tür an der hinteren Seite des Büros, das zum Gefängnis führte. Dieses bestand aus nur zwei Zellen, die sich über einen schmalen Flur gegenüberlagen. Beide Zellen waren momentan besetzt.

In der einen Zelle lag ein Mann in einem eher verschlissenen Anzug laut schnarchend auf seiner Pritsche. In der gegenüberliegenden Zelle saß ein missmutig dreinblickender Mann in Jeans und T-Shirt auf seiner Schlafkoje.

Tallhamer holte seinen Schlüsselbund heraus, öffnete die Zelle, in der der Gefangene saß und sagte …

»Du hast Besuch, Phil. Von einem echten FBI-Agenten.«

Jake trat in die Zelle, während Tallhamer genau nur so weit draußen stand, um die Zellentür aufzuhalten.

Phil Cardin blinzelte angestrengt und sagte zu Jake: »Aha, FBI? Vielleicht können Sie ja diesem Witz an Polizisten hier beibringen, wie er seine Arbeit zu erledigen hat. Ich habe niemanden umgebracht, geschweige denn meine Ex-Frau. Wenn ich es getan hätte, wäre ich der allererste, der damit angeben würde. Deshalb lassen Sie mich hier raus.«

Jake fragte sich …

Hat ihm irgendjemand vom anderen Mord erzählt?

Jake hatte das Gefühl, dass Cardin nichts davon wusste. Er dachte, das Beste wäre, es dabei zu belassen, zumindest für jetzt.

Jake sagte zu ihm: »Herr Cardin, ich habe ein paar Fragen an Sie. Möchten Sie, dass ein Anwalt dabei ist?«

Cardin kicherte und zeigte auf den schlafenden Mann in der gegenüberliegenden Zelle.

»Hey, Ozzie. Werd mal schnell wieder nüchtern. Ich brauche hier einen Rechtsbeistand. Stell mal sicher, dass meine Rechte nicht verletzt werden. Obwohl ich denke, dass der Zug bereits abgefahren ist, du besoffener, unfähiger Mistkerl.«

Der Mann im zerknitterten Anzug setzte sich auf und rieb sich die Augen.

»Warum zum Teufel schreist du hier herum?« brummte er. »Siehst du nicht, dass ich versuche, eine Mütze voll Schlaf zu kriegen? Lieber Heiland, was hab ich für ein gottverdammtes Kopfweh.«

Jake klappte der Kiefer herunter. Der feiste Sheriff schüttelte sich vor Lachen wegen dieser offensichtlichen Überraschung.

Tallhamer sagte: »Agent Crivaro, ich möchte Ihnen Oswald Hines vorstellen, den einzigen Rechtsanwalt des Dorfes. Er wird ab und zu für öffentliche Verteidigungsangelegenheiten herangezogen. Ziemlich praktisch, dass er vor kurzem für ungehöriges Benehmen unter Alkoholeinfluss eingebuchtet wurde, darum haben wir ihn hier gleich zur Verfügung. Nicht, dass das ein ungewöhnliches Vorkommnis wäre.«

Oswald Hines hustete und ächzte.

»Ja, ich denke mal, das ist die Wahrheit,« sagte er. »Dies hier ist meine Art zweites Zuhause – oder mehr wie mein zweites Büro, könnte man sagen. In Zeiten wie diesen kommt der Ort richtig gelegen. Ich würde sehr ungern irgendwo anders hingehen müssen, so wie ich mich gerade fühle.«

Hines tat einen langen, bedächtigen Atemzug und starrte die anderen verschlafen an.

Dann sagte er zu Jake: »Hör mal zu, Agent-schlag-mich-tot. Als der Verteidigungsanwalt dieses Mannes muss ich darauf bestehen, dass du ihn in Ruhe lässt. Ihm wurden diese Woche schon viel zu viele dämliche Fragen gestellt. Eigentlich wird er grundlos hier festgehalten.«

Der Rechtsanwalt gähnte und fügte hinzu: »Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass er schon weg wäre. Er wäre besser schon draußen gewesen, ehe ich wieder aufwache.«

Der Anwalt war im Begriff, sich wieder hinzulegen, als der Sheriff sagte …

»Wachbleiben, Ozzie. Du hast was zu tun. Ich besorge dir eine Tasse Kaffee. Soll ich dich aus deiner Zelle lassen, damit du deinem Klienten näher sein kannst?«

»Nö, mir geht es gut hier,« sagte Ozzie. »Nur beeil dich mit dem Kaffee. Du weißt ja, wie ich ihn haben will.«

Sheriff Tallhamer sagte lachend: »Und wie wäre das?«

»In irgendeiner Art von Tasse.« knurrte Ozzie. »Gehen. Du. Jetzt.«

Tallhamer ging zurück ins Büro. Jake stand da und starrte für einen Augenblick auf den Gefangenen hinunter.

Schließlich sagte er: »Herr Cardin, soviel ich weiß, haben Sie kein Alibi für die Zeit, als Ihre Ex-Frau ermordet wurde.«

Cardin zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich habe keine Ahnung, wie man darauf kommen könnte. Ich war zu Hause. Ich habe mir Tiefkühlkost warmgemacht, den ganzen Abend ferngesehen und dann für den Rest der Nacht durchgeschlafen. Ich war nicht mal ansatzweise in der Nähe, wo es passiert ist – wo immer das auch war.«

»Kann das jemand bestätigen?« sagte Jake.

Cardin grinste und sagte: »Nein, aber niemand kann irgendetwas anderes bestätigen, oder?«

Jake fragte sich, als er Cardins abfällige Bemerkung hörte …

Ist er schuldig und will mich für dumm verkaufen?

Oder ist ihm der Ernst der Lage nicht bewusst?

Jake fragte: »Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Ex-Frau zum Zeitpunkt des Mordes?«

Der Anwalt rief durchdringend aus …

»Phil, antworte nicht auf diese Frage.«

Cardin schaute zur gegenüberliegenden Zelle hinüber und sagte: »Ach, halt die Klappe, Ozzie. Ich werde ihm nichts anderes sagen, als was ich dem Sheriff nicht schon hundertmal gesagt habe. Es macht sowieso keinen Unterschied.«

Dann sah Cardin Jake an und sagte in einem sarkastischen Ton …

»Es stand prachtvoll zwischen mir und Alice. Unsere Scheidung war völlig einvernehmlich. Ich hätte ihr nie ein Haar gekrümmt auf ihrem süßen Köpfchen.«

Der Sheriff war zurück und reichte dem Anwalt eine Tasse Kaffee.

»Einvernehmlich, so eine Scheiße,« sagte der Sheriff zu Cardin. »Am Tag, an dem sie umgebracht wurde, bist du wie ein brüllendes Rindvieh in den Schönheitssalon gerannt, in dem sie arbeitete. Du hast direkt vor der Kundschaft herumgeschrien, dass sie dein Leben ruiniert hat, dass du sie abgrundtief hasst und dass du willst, dass sie tot ist. Darum sitzt du ja hier.«

Jake steckte die Hände in die Taschen und sagte: »Würden Sie die Güte haben und mir sagen, worum es gerade geht?“

Cardins Lippen verzerrten sich mit unverhohlener Wut.

»Das war die Wahrheit und das ist auch schon alles – dass sie mein Leben ruiniert hat, meine ich. Mein Glück hat mich total im Stich gelassen, seit die Schlampe mich rausgeworfen und diesen bescheuerten Arzt geheiratet hat. Genau an dem Tag, als ich als Koch in Mick’s Diner gefeuert wurde.«

»Und das war dann ihre Schuld?« sagte Jake.

Cardin starrte Jake direkt ins Auge und sagte durch zusammengebissene Zähne …

»Alles war ihre Schuld.«

Jake erschauderte bei dem Klang von Cardins hasserfüllter Stimme.

 

Er macht andere gern zum Sündenbock, dachte er.

Jake hatte schon mehr als genug Mörder vor sich gehabt, die keinerlei Verantwortung dafür übernommen hatten, was in ihrem Leben schiefgelaufen war. Jake wusste, dass Cardins bodenloser Groll kaum ein Beweis für seine Schuld war. Aber er konnte hundertprozentig verstehen, warum Cardin überhaupt eingesperrt worden war.

Trotzdem wusste Jake, dass es auf einem anderen Blatt stand, dass er hier in Untersuchungshaft festgehalten wurde. Jetzt wo es einen weiteren Mord gab. Wie Chief Messenger Jake in Dighton erzählte hatte, gab es keinen konkreten, stichhaltigen Beweis, dass es eine Verbindung zwischen Cardin und dem Verbrechen gab. Der einzige Beweis war nur das chronische Verhaltensmuster, das Cardin an den Tag legte: Er bedrohte Leute – wie bei seinem Ausbruch neulich im Schönheitssalon, wo Alice gearbeitet hatte. Das waren alles nur Indizien.

Wenn er nicht noch etwas sagt, was ihn jetzt und hier belastet.

Jake sagte zu Cardin: »Dem Anschein nach geben Sie nicht unbedingt den trauernden Exmann ab.«

Cardin grunzte und sagte: »Vielleicht wäre ich das ja, wenn Alice mir nicht so übel mitgespielt hätte. Während unserer gesamten Ehe hat sie mir immer wieder gesagt, was ich für ein Loser bin – als ob diese hässliche Kröte, mit der sie was anfing, eine Steigerung gewesen wäre. Also ich war kein Loser, bevor sie die Scheidung eingereicht hat. Erst als ich auf mich selbst gestellt war, fingen die Dinge an, langsam schiefzulaufen. Das ist nicht fair …«

Jake hörte zu, während Cardin weiterhin über seine Ex-Frau klagte. Seine Verbitterung war fühlbar – auch sein gebrochenes Herz. Jake vermutete, dass Cardin nie aufgehört hatte, Alice zu lieben, oder wenigstens, sie zu brauchen. Ein Teil von ihm hatte immer die vergebliche Hoffnung gehegt, dass sie wieder zusammenkommen würden.

Aber seine Liebe für Alice war offensichtlich kranker, verdrehter und obsessiver Natur gewesen – also nicht wirklich Liebe in einem gesunden Sinne. Jake hatte genug Mörder gesehen, deren Triebfeder „Liebe“ gewesen war.

Cardin legte eine kurze Pause in seiner Schimpftirade ein, dann sagte er …

»Sagen Sie mir – stimmt das, dass sie in Stacheldraht eingewickelt war, als Sie sie fanden?«

Er schüttelte den Kopf und mit einem Lächeln fügte er hinzu …

»Mannomann, das ist – das ist einfallsreich.«

Jake durchfuhr ein Ruck bei diesen Worten.

Was genau meinte Cardin damit?

Bewunderte er das Werk einer anderen Person?

Oder verspürte er eine hinterhältige Schadenfreude, wenn er an seinen eigenen Einfallsreichtum dachte?

Jake war der Ansicht, dass der Zeitpunkt für den Versuch gekommen war, ihn über den weiteren Mord auszuquetschen. Falls Cardin einen Komplizen hatte, der Hope Nelson getötet hatte, konnte Jake ihn vielleicht dazu bringen, es zu gestehen. Aber er wusste, dass er vorsichtiger vorgehen musste.

Er sagte: »Herr Cardin, kannten Sie vielleicht eine Frau namens Hope Nelson drüben in Dighton?«

Cardin kratzte sich am Kopf und sagte …

»Nelson … der Name ist mir irgendwie bekannt. Ist das nicht die Frau des Bürgermeisters oder so?«

Sheriff Tallhamer lehnte sich von außen gegen die Gitterstäbe der Zelle und knurrte …

»Auf jeden Fall ist sie tot.«

Jake kämpfte gegen ein enttäuschtes Stöhnen, das in ihm aufstieg. Er hatte nicht vorgehabt, Cardin die Wahrheit auf eine so unelegante Weise zu servieren. Er hatte gehofft, sich damit genügend Zeit lassen zu können, um herauszufinden, ob Cardin bereits wusste, was Hope Nelson zugestoßen war.

Der Rechtsanwalt in der anderen Zelle sprang auf die Füße.

»Tot?« kläffte er. »Wovon zum Teufel redest du?«

Tallhamer spuckte etwas Tabak auf den Betonboden und sagte: »Sie wurde gestern Nacht umgebracht – auf genau dieselbe Weise, auf die Alice getötet wurde. Sie baumelte von einem Zaunpfosten – in Stacheldraht eingewickelt.«

Plötzlich schien Ozzie vollkommen nüchtern zu sein, als er Jake anschnauzte: »Und warum in aller Welt halten Sie dann meinen Klienten fest? Erzählen Sie mir bloß nicht, dass er letzte Nacht eine andere Frau ermordet hat, während er hier drinnen eingesperrt war.«

Jakes Laune sank. Seine Taktik war ihm von Talhammer verdorben worden und er wusste, dass alle weiteren Fragen wahrscheinlich sinnlos waren

Dennoch fragte er Cardin abermals: «Kannten Sie Hope Nelson?«

»Habe ich Ihnen nicht gerade gesagt, dass ich Sie nicht kannte?» sagte Cardin mit einem Hauch von Überraschung.

Aber Jake konnte nicht sagten, ob seine Überraschung echt war oder ob er sie nur vorspielte.

Ozzie umklammerte die Stäbe seiner Zelle und rief: »Sie lassen meinen Klienten jetzt sofort laufen, verdammt nochmal, oder Sie werden einen Prozess am Hals haben, der sich gewaschen hat.«

Jake unterdrückte ein Seufzen.

Ozzie hatte natürlich recht, aber …

Er hatte sich einen tollen Zeitpunkt ausgesucht, um plötzlich sein Fachwissen an den Tag zu legen.

Jake wandte sich an Tallhamer und sagte: »Lassen Sie Cardin gehen. Aber behalten Sie ihn gut im Auge.«

Tallhamer rief nach dem Wachtmeister, damit er Cardins Habseligkeiten brachte. Als der Sheriff die Zellentür öffnete, um Cardin herauszulassen, drehte er sich in Ozzies Richtung und sagte …

»Willst du auch gehen?«

Ozzie gähnte und legte sich wieder auf seine Pritsche.

»Nö, ich habe gerade ein ordentliches Pensum an Arbeit hingelegt. Das reicht für einen Tag. Ich würde ganz gerne weiterschlafen – solange du die Zelle nicht für jemanden anders brauchst.«

Tallhamer grinste und sagte: »Gerne, nur zu.«

Als Jake mit Tallhamer und Cardin aus der Polizeiwache kam, bemerkte er, dass der Mann im weißen Kittel immer noch auf der anderen Straßenseite stand. An genau derselben Stelle wie zuvor.

Plötzlich setzte sich der Mann in Bewegung und marschierte über die Straße auf sie zu.

Tallhamer knurrte Jake leise ins Ohr …

»Jetzt gibt es Ärger.«

Kapitel acht

Jake musterte den Mann prüfend, der auf sie zulief. Sie waren gerade aus der Polizeiwache herausgekommen. Er sah am Gesicht des Mannes und wie er sich gab, dass er wütend war. Aber dieser Zorn schien nicht ihm zu gelten. Und er war sich bewusst, dass Tallhamer sich nicht darauf gefasst machte, zu handeln.

Währenddessen hatte sich Cardin umgedreht und eilte schnell auf dem Bürgersteig weg.

Der wütende Mann stürmte auf Tallhamer zu. Er fuchtelte mit einem Arm in Richtung des davoneilenden Cardin und rief …

»Ich verlange von Ihnen, dass Sie diesen Bastard wieder in Gewahrsam nehmen!«

Sheriff Tallhamer, der vom Zorn dieses Mannes scheinbar unberührt war, stellte Jake mit Ruhe Earl Gibson vor, den einzigen Arzt des Dorfes und – Alice Gibsons Ehemann.

Jake wollte seine Hand schütteln und eine Beileidsbekundung abgeben, aber die Arme des Doktors kreisten immer noch umher, als er sich Tallhamer gegenüber ausließ. Er bemerkte, dass Dr. Gibson ein bemerkenswert unscheinbarer Mann war mit einem schwer pockenvernarbten Gesicht, dem die Zornesröte nichts Ansehnliches hinzufügen konnte. Er erinnerte sich daran, wie Cardin ihn als »diese Kröte, mit der sie etwas anfing,« bezeichnet hatte.

Cardin war im Vergleich zu ihm geradezu richtig gutaussehend.

Jake nahm an, dass Earl Gibson trotz seines Aussehens über Tugenden verfügt haben musste, die die tote Frau angezogen hatten. Schließlich war Gibson Arzt und Alices Exmann war nichts weiter als ein gescheiterter Koch …

Wahrscheinlich eine ziemlich einfache Wahl in einem Dorf mit wenig Optionen.

Gibsons Ärger nahm nur noch weiter zu, als er herausfand, wer Jake war.

»Das FBI! Was geht denn das hier das FBI an? Sie hatten doch den Mörder meiner Frau schon erwischt. Sie hatten ihn weggesperrt. Jedes Geschworenengericht auf der ganzen Welt würde ihn für schuldig befinden. Und jetzt haben Sie ihn einfach gehen lassen!«

Sheriff Tallhamer scharrte mit den Füssen und sagte in einem geduldigen, fast herablassenden Tonfall …

»Pass auf, Earl, wir haben darüber doch erst vor kurzem gesprochen, oder nicht?«

Dr. Gibson antwortete: »Ja, haben wir. Und darum bin ich auch hiergeblieben und habe gewartet. Ich musste mich selbst davon überzeugen. Ich wollte es verhindern.«

Sheriff Tallhamer shuffled his feet and spoke in a patient, almost condescending tone …

»Wir müssen ihn gehenlassen und das weißt du auch,« sagte Tallhamer. »Eine andere Frau wurde gestern Nacht drüben in Dighton ermordet, genauso wie Alice. Ich kann mich für Phil Cardins Aufenthaltsort letzte Nacht verbürgen und er war ganz sicherlich nicht in der Nähe von Dighton. Er hat die Frau nicht umgebracht und jetzt haben wir keinen Grund anzunehmen, dass er Alice umgebracht hat.«

»Keinen Grund!« sagte Gibson und geiferte vor Zorn. »Genau an jenem Tag hat er ihr nach dem Leben getrachtet. Und bitte beleidige mich nicht mit diesem Unsinn über das Opfer in Dighton und dass Phil sie nicht umgebracht haben könnte. Wir wissen beide, dass er ein brauchbarer Verdächtiger ist, was den anderen Mord angeht.«

Jakes Interesse war plötzlich geweckt.

»Ein brauchbarer Verdächtiger?« fragte er.

Gibson sagte voller Spott zu Sheriff Tallhamer: »Also haben Sie’s ihm nicht erzählt, oder?«

»Mir was erzählt?« fragte Jake.

»Das über Phil Cardins Bruder Harvey,« sagte Gibson zu Jake. »Er pflichtet Phil in allen Dingen bei. Er hat Alice auch bedroht. Er erwischte sie am Telefon und sagte ihr, dass er und Phil sich an ihr rächen würden. Er hat sie an dem Tag, an dem sie ermordet wurde, angerufen. Und wo immer er gestern auch gewesen ist, auf jeden Fall nicht in irgendeiner Gefängniszelle. Er hat diese Frau in Dighton ermordet. Ich würde mein Leben darauf verwetten.«

Jake war jetzt ehrlich überrascht.

Er fragte Gibson: »Warum meinen Sie würde er jemanden in einer anderen Stadt töten?«

Gibson antwortete: »Was sein Motiv ist, meinen Sie? Vielleicht hatte er etwas Persönliches gegen diese Frau. Er reist viel im Bundesstaat herum. Vielleicht hat er ja was mit ihr angefangen und ist dann in die Fußstapfen seines Bruders getreten. Aber ich denke, er hat es höchstwahrscheinlich getan, um seinen Bruder zu schützen – damit die Leute denken, dass Phil Alice nicht getötet hat.«

Tallhamer seufzte und sagte: »Earl, darüber haben wir doch auch vor kurzem gesprochen, oder nicht? Wir kennen doch beide Harvey Cardin schon unser ganzes Leben lang. Er durchquert die ganze Gegend, weil er ein herumreisender Klempner ist. Er reißt ab und zu die Klappe auf, aber er ist nicht wie sein Bruder. Er tut keiner Fliege etwas zuleide. Ganz zu schweigen davon, dass er irgendjemand auf so scheußliche Weise umbringen könnte.«

Jake schweifte gedanklich kurz ab, um zu verarbeiten, was er gehört hatte.

Er wünschte sich, dass Tallhamer ihm bereits ganz zu Anfang von Harvey Cardin erzählt hatte.

Tja, Polizisten in der Kleinstadt, dachte er. Einige von ihnen waren sich so sicher, dass sie über jeden im Distrikt alles wussten, dass sie leicht übersahen, was wichtig war.

Jake sagte zu Sheriff Tallhamer: »Ich möchte mit Harvey Cardin sprechen.«

Der Sheriff hob die Schultern, als ob er das als Zeitvergeudung ansehen würde.

Er sagte: »Also, wenn Sie das wünschen. Harvey lebt nur ein paar Blocks weiter von hier. Ich nehme sie dorthin mit.«

Als Jake sich mit dem Sheriff in Bewegung setzte, sah er, dass Gibson ihnen folgte. Das Letzte, was Jake gerade brauchte, war ein trauernder und erzürnter Witwer, der sich in das Interview mit einem möglichen Verdächtigen einschaltete.

Er sagte so sachte er konnte: «Dr. Gibson, der Sheriff und ich müssen das alleine machen.«

Als Gibson den Mund öffnete, um zu widersprechen, fügte Jake hinzu …

»Ich möchte Sie in Kürze interviewen. Wo kann ich Sie finden?«

Gibson blieb für einen Augenblick still.

»Ich bin in meiner Arztpraxis,» sagte Gibson. »Der Sheriff kann Ihnen sagen, wo sie ist.«

Gibson drehte sich um und stürmte ärgerlich von dannen.

Jake und Tallhamer liefen eine kurze Strecke zu einem kleinen, weißen Haus, wo Harvey Cardin lebte. Es war ein baufälliges Häuschen mit einem verwilderten Rasen.

Tallhamer klopfte an der Haustür. Als niemand antwortete, klopfte er abermals, aber immer noch keine Antwort.

Tallhamer sagte: »Er ist wahrscheinlich auf Reisen, vielleicht arbeitet er in irgendeinem anderen Dorf. Wir erwischen ihn das nächste Mal.«

Jake wollte auf dieses „nächste Mal» nicht warten. Er versuchte, durch eine der Glasscheiben in der Haustür zu spähen. Er konnte einige kahle, einfache Möbelstücke erkennen. Ansonsten gab es da im Inneren wenig – die Einrichtung vermittelte ganz sicher keinen persönlichen Touch. Das Haus sah so aus, als ob es möbliert vermietet worden wäre, es gab jedoch keine Anzeichen dafür, dass jemand dort wohnte.

 

Jake nahm an, dass Harvey Cardin gerade nicht im Dorf war, in Ordnung …

Aber würde er je zurückkommen?

Seine Überlegungen wurden jäh von einer Männerstimme von nebenan unterbrochen …

»Sheriff, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

Jack drehte sich um und sah einen Mann im Garten stehen.

Tallhamer antwortete ihm: »Dieser Typ vom FBI und ich, wir suchen Harvey Cardin.«

Der Mann schüttelte den Kopf und sagte: »Da haben Sie kein Glück, glaube ich. Ich habe gesehen, wie er letzte Woche seinen Laster beladen hat – gerade nachdem sein Bruder wegen dem Mord an Alice Gibson verhaftet worden war. Es sah so aus, als ob er alle seine Habseligkeiten mitgenommen hat. Nicht dass es da so viel zum Mitnehmen gab. Ich habe ihn gefragt, wo er hinwollte und er sagte: „Überall hin, nur nicht nach Hyland. Mir reicht‘s mit diesem gottverdammten Ort.»

Jake durchfuhr ein Ruck, der ihn aufrüttelte.

Dieser mögliche Verdächtige war bereits verschwunden.

»Kommen Sie,« sagte Jake zu Tallhamer. »Lassen Sie uns mit ein paar Leuten sprechen.«

* * *

Jake und Sheriff Tallhamer verbrachten den Rest des Tages damit, fruchtlose Interviews durchzuführen. Sie fingen in der Nachbarschaft an, wo Harvey Cardin gelebt hatte. Alles, was Harveys andere Nachbaren wussten, war, dass sie ihn nicht mehr gesehen hatten, seit er vor zwei Wochen weggefahren war.

Bei Alices Freunden und Bekanntschaften hatten sie auch nicht mehr Glück. Alices Kolleginnen im Schönheitssalon waren sich einig, dass Phil Cardin am Tag vor Alice Ermordung ihr hier eine furchtbare, erschreckende Szene gemacht hatte.

Als Jake und Tallhamer einen Halt bei Mick’s Diner einlegten, sagte der Besitzer, dass Phil Cardin seinen Job als Koch aus einer Vielzahl von Gründen verloren hatte – er war nicht zur Arbeit erschienen oder manchmal betrunken und war in Faustkämpfe mit anderen Angestellten verwickelt gewesen.

Keiner von ihnen wusste irgendetwas darüber, wo sich Phils Bruder Harvey vermutlich aufhalten konnte.

Schlussendlich statteten Jake und der Sheriff Earl Gibson in seiner Arztpraxis einen Besuch ab. Der Doktor schäumte noch vor Wut über Phil Cardins Entlassung. Er regte sich zusätzlich auf, als er hörte, dass Harvey verschwunden war. Jake gelang es, ihn soweit zu beruhigen, um ihm einige Fragen zu stellen. Aber Gibson war nicht dazu in der Lage, etwas Licht ins Dunkle zu bringen, wer denn außerdem noch geplant haben könnte, seine Frau zu töten.

Ihre Befragungen machten das Rätsel nur noch größer – zumindest was Jake anging. Er suchte nach einem Anhaltspunkt, dass die zwei Cardin-Brüder die zwei Morde abwechselnd verübt haben können. Oder dass sogar der als vermisst geltende Harvey Cardin beide Morde begangen hatte …

Aber wenn nicht?

Jake hatte gerade noch keine alternativen Szenarios parat. Er hatte kein Bauchgefühl gehabt, dass irgendjemand in Hyland auch nur einen der Morde verübt hatte. Alle, mit denen sie an diesem Tag sprachen, schienen Alice gern gemocht zu haben und niemand in Hyland hatte anscheinend Hope Nelson gekannt, außer dem Namen nach. Alice Gibson hatte sie offenbar auch nicht gekannt. Die zwei Frauen kamen aus derselben Region dieses Bundesstaats, aber hatten ihr Leben in verschiedenen Kleinstädten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen verbracht.

Als sie nach einem fruchtlosen Tag wieder bei der Polizeiwache ankamen, sagte Jake dem Wachtmeister in Tallhamers Büro, dass er Phil Cardin gut im Auge haben solle, besonders um sicherzustellen, dass er nicht versuchte, die Stadt zu verlassen.

»Einmal halte ich noch an,« sagte er zu Tallhamer, »und dann gebe ich für heute auf.

Der Sheriff fuhr Jake hinaus zum ersten Tatort.

Der Abend dämmerte, bis sie dort ankamen. Der Zaunpfosten, an dem die baumelnde Leiche von Alice Gibson gefunden worden war, war mit einem Kreuz markiert, das der Wachtmeister von Sheriff Tallhamer auf den Pfosten gemalt hatte. Der Zaun grenzte an eine Weide mit sanften Hügeln an. Genau wie der Ort, wo man Hope Nelsons Körper gefunden hatte.

Jake unterdrückte ein Seufzen, als er sich dieses baumelnde, scheußliche Bündel vorstellte …

Unter anderen Umständen wäre dies ein netter Ort für einen Besuch.

Er nahm an, dass es einen auffallend kranken Menschen brauchte, um so ein grässliches Objekt in einer so schönen Umgebung zurückzulassen.

War Phil Cardin ein solcher Mensch?

Könnte sein Bruder so jemand sein?

Jake ging bei dem Zaunpfosten in die Knie und atmete tief und langsam durch. Er hoffte, ein Gefühl zu erhaschen, was dort wohl passiert war. Jake war bekannt dafür, dass seine Intuition an Tatorten auf die Sprünge kam und er oft ein verblüffendes Gefühl für die Denkweise eines Kriminellen entwickelte. Jake kannte niemanden anderen, der das beherrschte – außer vielleicht der jungen Riley Sweeney. Aber ihr Instinkt war noch sehr schwankend und ungebändigt.

An diesem Morgen am anderen Schauplatz des Verbrechens hatte Jake nicht einmal eine derartige Verbindung herstellen können – nicht mit dem ganzen Tumult, der da um ihn herum getobt hatte und dazu noch die Ankunft des Helikopters dieses TV-Senders.

Klappt es jetzt? fragte er sich.

Jake schloss die Augen und konzentrierte sich. Er versuchte, irgendeine Art von Bauchgefühl zu bekommen.

Es kam nichts.

Als er seine Augen öffnete, sah er drei schwarz-weiße Black Angus Kühe, die herbeigewandert waren und ihn neugierig ansahen. Er fragte sich, ob sie gesehen hatten, was in jener Nacht passiert war? Falls ja, hatte das blanke Entsetzen, dessen sie Zeugen geworden waren, irgendeine Auswirkung auf sie gehabt?

»Wenn ihr nur sprechen könntet,« murmelte Jake den Kühen zu.

Er erhob sich und fühlte sich vollkommen entmutigt.

Es war Zeit, wieder nach Dighton hinüberzufahren und beim Spurensicherungsteam vorbeizuschauen. Er würde sich die Notizen des Tages noch einmal ansehen und dann im einzigen Motel der Stadt zum Schlafen hinlegen. Dann am nächsten Tag früh aufstehen. Jake hatte noch ein paar unerledigte Sachen in Dighton zu Ende zu bringen, darunter ein ernstes Gespräch mit dem Ehemann von Hope Nelson, dem Bürgermeister von Dighton. Mason Nelson war noch zu sehr unter Schock gestanden, als dass Jake mit ihm am Tatort hätte reden können.

Was die Bestimmung von Harvey Cardins möglichem Aufenthaltsort anging, wusste Jake, dass das weder ein Job für die örtlichen Polizisten, noch für das Spurensicherungsteam war. Er würde technische Unterstützung aus Quantico anfordern müssen.

Er sagte zu Sheriff Tallhamer: »Bringen Sie mich zu meinem Wagen, ich muss los.«

Aber ehe er in das Auto des Sheriffs einsteigen konnte, sah er, dass sich ein Lieferwagen mit dem Logo eines TV-Senders näherte. Der Lieferwagen hielt in der Nähe und eine Crew mit Beleuchtung, Kamera und einem Mikrofon quoll heraus.

Jake stöhnte verzweifelt auf.

Dieses Mal konnte er den Medien nicht entkommen.

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